BOY WONDER

Und sonst so bin ich gerade in ein Buch gefallen, vielleicht eine der besten Hollywood-Fiktionen neben „Cold Heart Canyon“ und „First Nights“. Empfohlen hatte das vor Jahren mal Nilz vom Weltfrieden und ich hab keine Ahnung, wieso es so lange gedauert hat, bis ich es mir endlich bestellt habe. „Boy Wonder“ erzählt die Biografie des (bedauerlicher- oder glücklicherweise) fiktiven Hollywood-Produzenten Shark Trager. Erzählt ist es in „Oral History“, also aufeinander folgenden Kommentaren und Erinnerungen seiner Wegbegleiter. Die Form liebe ich seit „Edie“ von Jean Stein und natürlich „Savage Grace“. Dem Autor James Robert Baker gelingt es meisterhaft, Stimmen für die Dutzende von Charakteren zu gestalten, durch die wir die Lebens-, Liebes- und Leidensgeschichte des wahnsinnigen Filmfreaks rekonstruiert bekommen. Alles in diesem Leben ist larger than life, etwas schiefer, intensiver und abscheulicher, als ein normales Autorenhirn sich das vorstellen könnte. Das Werk ist so magnetisch, dass es einen abstößt, aber in noch stärkerem Maße hineinzieht in diesen grandios ausgestalteten Kosmos. Viel mehr muss ich zur Handlung nicht erzählen. Bedauerliche Nebenwirkung der Lektüre: man bekommt unglaubliche Lust, die Filme Shark Tragers zu sehen. Dass es diese Celluloid-Katastrophen nicht wirklich gibt ist eine kulturelle Schande. Zu gern würde ich in einer Welt leben, in der es beispielsweise „Red Surf“ gibt, oder den verschollen geglaubten Jesus-Hippie-Porno „El Cristo Fugitivo“. Blut, Schweiß, Tränen, Sperma, Pisse – ein weinhaltiges Getränk namens „Bali Hai“ – Boy Wonder hat von all dem jede Menge. (Und ist die ca 30 Euro, die die günstigste verfügbare deutsche Ausgabe momentan kostet, absolut wert. Günstigere Originalausgaben kriegen Sie via http://www.abebooks.com.)

Traurige side note – Autor Barker nahm sich 1997 das Leben.

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