A SERBIAN FILM

„Umstritten“ ist gar kein Ausdruck für „Srpski Film“, den Spielfilm des serbischen Regisseurs Srdjan Spasojević. Die ungeschnittene Fassung gilt als unverleihbar. Die deutsche Fassung ist um 13 Minuten gekürzt. Eine (unter diesen Umständen schwer als sensibel zu bezeichnende) britische Fassung kürzt an 16 Stellen, aber immerhin nur um 4 Minuten. Diese Fassung ist in Deutschland indiziert. Worum geht es also nun in dem Film? Milos, ehemaliger Pornostar, hat eine Familie gegründet und sich aus dem Geschäft zurückgezogen, doch das Geld wird knapp. Ein dubioser Produzent bietet ihm eine Summe, zu der Milos schwer Nein sagen kann, die Rolle in einem Film, der nur an Privatkunden-Auftraggeber verkauft wird, doch die Drehbedingungen sind bizarr – Milos bekommt kein Drehbuch, sondern wird in die Szenen geschickt und erhält Regieanweisungen über ein Earpiece. Am ersten Drehtag ist er bereits versucht, den Job hinzuschmeißen – er dreht eine Blowjob-Szene, bei dem er und die Darstellerin von einer jungen Frau beobachtet werden, die höchstens vierzehn Jahre alt sein mag.

Über seinen Bruder Marko, einen Polizisten, lässt er Informationen über den Produzenten einholen, die jedoch besagen nur, dass es sich offenbar um den intelligentesten Porno-Arbeitgeber mit den besten Referenzen handelt, für den er jemals tätig war*. Nach einem weiteren übergriffigen, gewaltverherrlichenden Dreh ergreift er die Flucht, wird jedoch von einer Komplizin des Produzenten verführt und unter Drogen gesetzt.

Mit einer Gedächtnislücke von mehreren Tagen wacht er in seiner Wohnung auf und rekonstruiert die bestürzenden Geschehnisse.

Es ist in der Tat harte Kost, die Spasojević dem Zuschauer zumutet. Der britischen Schnittfassung ist es zu verdanken, dass die schlimmsten Bilder nicht gezeigt werden, aber im Kopf des Betrachters ergänzt werden, was dem deutschen Zuschauer nicht zugemutet werden sollte. Selbst in Ermangelung dieser Sequenzen ist „A Serbian Movie“ grenzwertig, und es braucht eine gewisse Lesart, für diesen Film Beweggründe zu finden. Zunächst ist es ein packend geschnittener Horrorfilm. Die gezeigte Gewalt erscheint mir nicht als verherrlichend, sondern wird gezeigt als was sie ist – menschenverachtend, krank und einem totalitären Auftraggeber zugehörig. Die nicht ganz ideale Kleinfamilie ist dem (nahezu) gesichtslosen Auftraggeber ausgeliefert – sie wird einfach eingekauft. Der Titel suggeriert bereits, dass es sich bei dem Film auch um ein politisches Statement handelt, und in der Tat kann ich nachvollziehen, dass in diesem Land dieser Film entstanden ist. Freilich kann es auch sein, dass Spasojević einfach Bock hatte, einen torture porn zu drehen, der die Grenzen überschreitet, aber das glaube ich nicht. Die ziellos gerichtete, halluzinatorische Wut und Aggression ist ein zu gutes Sinnbild für ein verwirrtes Land, in dem über einen sehr lange bestimmt wurde, wo man niemandem trauen kann und selbst der eigene Bruder einen neidet was man besitzt. Die Gewalt, die gezeigt wird richtet sich nicht nur gegen Frauen (und, größtes Tabu: Kinder), wie viele Kritiken behaupten, sondern gegen alle Menschen. Wenn Milos versucht, sich zu befreien, dann kämpft er gegen seine Peiniger mit ihren eigenen (und seinen verfügbaren) Mitteln. (Erigierter Penis trifft auf leere Augenhöhle, um ein es von vielen unappetitlichen Beispielen zu nennen. Einem nackten Mann kann man nichts aus der Tasche ziehen, aber er kann kämpfen mit dem, was er hat.)

Im IMDB-Forum fragt eine amerikanischen Mutter, ob dieser Film für ihre 9 und 10 Jahre alten Söhne geeignet ist, die sehr gerne Horrorfilme wie „Scream“ und „The Shining“ schauen und diesen Film runtergeladen haben. „Vielleicht besser für Kinder im Alter von 3 bis 4“, antwortet ein etwas zynischer Kommentator.

Und so bin ich hin und hergerissen, komme aber nicht umhin zu sagen, dass „“Srpski Film“ ein sehr gut gemachter, äußerst krasser und schwer zu verdauender Film ist, der mich bewegt hat und der Gesprächsbedarf auslöst. Dass im Film ein Film gedreht wird, gibt einem eine gute Vorlage, nötige Distanz zu den Grausamkeiten zu entwickeln – man kann sich gut zureden „ist ja alles nur ein Film“.

Wenn Sie sich dem Aussetzen möchten, der nicht wirklich bürotaugliche Trailer hier.

*U.a., als Psychiater und Redakteur einer Kindersendung – klarer Verweis auf Ex-Präsident Karadzic, der ebenfalls als Psychiater arbeitete und Kinderbücher verfasste.

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