SOMMERZAUBER oder WALKING ON BROKEN GLASS

21.6.1998. Glams Mitbewohner hat den Koch des Restaurant Abendmahl angeheuert, um angemessen den Sommeranfang zu begehen. Dinner for five. Ein Maler, ein Veranstalter, ein Filmemacher, und gastgebend eine größte lebende Diseuse und Glam, der vor wenigen Wochen sein erstes Buch veröffentlicht hat. Es gibt Seitangulasch, perlende Unterhaltung, süffigen Weißwein und, weil es eine laue, schöne Nacht ist, geht man anschließend tanzen. Gänsemarschähnlich marschiert die illustre Gruppe im SO36 ein und mondet sich in den Blicken der Besucher. Die Massen teilen sich wie eine Einflugschneise. Feuielletonpaparazzi würden in Ekstaste geraten, aber es gibt so etwas wie Feueilletonpaparazzi gar nicht. Egal, denn die Gruppe ist von allein schon sehr weit oben.
Drei Wochen zuvor hat Glam zum Geburtstag ein Zauberbuch geschenkt bekommen. In der Nacht vor dem Dinner hat er irgendwelche Kräuter, Kerzenwachs, Blütenblätter und weitere geheime Ingredenzien zu einem Liebeszauber zubereitet, genau nach Vorschrift. Als Beschwörungsformel für den unbekannten zukünftigen Liebhaber erklang „I say a little prayer for you“. Es kann also nichts schief gehen. Und schon als er sein erstes Bier am Tresen holt, sieht er, erschlägt es ihn fast, dass der Zauber wohl geklappt haben muss – da steht er. Wenn er seinen Idealmann hätte malen sollen, er hätte es nicht besser hinbekommen, hier steht er nun in 3D und mit Körperwärme. Ein Ritter, ein Prinz, der lacht und die langen Haare zurückwirft. Seine Augen schlagen Funken, Glam fängt den lachenden Blick und Donner grollt, ein Blitz schlägt ein und die Welt bleibt kurz stehen, während der Blitzschlag zwischen den beiden Augenpaaren lodert. Zwei Tage später sind die beiden ein Paar und sollen es für eine längere Weile bleiben. Dass ein Zauber eine Manipulation der Wirklichkeit ist, die sich höllisch rächt, das muss der Glam erst lernen, selbst tschechische Fernsehserien haben ihn darauf nicht vorbereitet. Nicht einmal die „Kleine Meerjungfaru“, die so sehr lieben/ein Mensch sein wollte, dass sie in Kauf nahm, dass jeder Schritt, den sie fortan täte, ein Wandeln auf Glasscherben sein würde.

mermaid

7 Gedanken zu „SOMMERZAUBER oder WALKING ON BROKEN GLASS

  1. PetitePatate

    Immer nur auf Rosenblättern zu wandeln, ist doch auf Dauer auch kein befriedigendes Fußgefühl.

    Ich bedauere es übrigens zunehmend, dass es keine Feuielletonpaparazzi gibt (Sehr, sehr schicke Idee. Und vielleicht das brotloseste Gewerbe der Welt.)

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  2. Casino

    Aiii, aber besser ein Ende mit Schrecken als gar kein Anfang, oder nicht? Blitzschlag heißt nun mal Feuer, wäre es nicht traurig, wenn solche seltenen Kandidaten dann als innere Karteikarte im nope.-Kasten immer blasser werden mit der Zeit?

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  3. sabbeljan

    für „mondet sich“ gibts morgendlichen applaus. und die meerjungfrau verliert doch kurzzeitig ihre stimme. zum glück haben sie ihre wiedergefunden.

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  4. larousse

    Das hört sich aber nach dickem Herzeleid an. Nicht drin rumwühlen nach 8 langen Jahren, lieber Little Meermaid einschieben und mitträllern: „Under the sea…“! Das macht Sommerlaune!

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  5. ginko

    Und im Original wird die Meerjungfrau zu Schaum auf den Wellen, aber danach zu einem Stern – wenn ich mich recht erinnere. Hach, solche Sommergewitter ziehen eben auch Blitze nach sich …

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