IL GLAMINO

„Am Ende ist Leiden doch ein „Nicht-Verstehen“. Und wenn man etwas nicht versteht, muss man Vertrauen haben.“

Ich erinnere mich, zwischen meinem 16. und 22. Lebensjahr mit diversen esoterischen Grundsätzen durchs Leben gegangen zu sein. Und zwar nicht mal schlecht. Ich habe aufmerksam auf alles geachtet, was mir geschah, habe mich über Lieder im Radio gefreut, die mir eine Nachricht oder eine Entscheidungshilfe zu schicken schienen. Wenn ich eine bestimmte Frage hatte, konnte ich sicher sein, dass irgendjemand mir ungefragt ein Buch oder einen Film empfehlen würde, in dem die Antwort oder zumindest ein Lösungsvorschlag zu finden war. Koinzidenzen, Synchronizitäten – wenn man auf so etwas achtet, hat man stetigen Anlass zur positiven Überraschung.
Als Student der Religionswissenschaft habe ich mich von allem entfernt, was auch nur entfernt mit Spiritualität zu tun hatte. Esos waren unhip. Ein anständiger Agnostiker konnte schließlich nicht sagen, „och, heut abend geh ich doch noch mal raus“, weil im Radio Petula Clark´s „Downtown“ lief. Nun könnte ich aber gar nicht behaupten, dass das etwas spiritistischere Weltbild mir in irgendeiner Form geschadet hätte. Im Gegenteil – das Leben schien bedeutungsvoll. Das Erleben mitteilsam. Ich lief mit einer Aufmerksamkeit durchs Leben, einer Wertschätzung, die die positiven Aspekte hervorhob.
Die Lektüre von Hape Kerkelings Jakobsweg-Buch „Ich bin dann mal weg“ (aus dem obiges Zitat stammt) rief in mir die Erinnerung an damals zurück. Kate Bush´s „Strange phenomena“ fiel mir auch wieder ein – darin geht es um genau dasselbe – durchs Leben zu gehen und ein bisschen Magie darin zu vermuten. Selbst wenn die Magie nicht wirklich existiert – was kann es schaden, wieder etwas mehr auf die Zeichen zu achten? Allem etwas mehr Bedeutsamkeit beizumessen. Dem Buddhismus glaube ich, wenn er sagt „die Welt ist schlecht“, aber genau so bin ich Shirley MacLaine für die letzten Sätze dankbar, die sie sagte, als sie noch halbwegs bei Sinnen war „it is mankind´s moral obligation to seek happiness.“ Und wo fiel ihr das ein? Auf dem Jakobsweg! Es geht letztlich nur darum, der Schlechtigkeit der Welt zu trotzen und dass man es sich gut gehen lässt und Freude am Dasein hat. Dabei niemandem willentlich Schaden zufügt. Seine Feinde und sein Scheitern als Lehrer begreift. Immer auch den Aspekt des eigenen Selbst in dem sucht, was einen wahnsinnig macht oder was man hasst. Ich hasse dadurch nicht automatisch weniger, ich zwinge keine Wut nieder – im Gegenteil, ich lebe auch die Wut aus und warte oft genug nicht darauf, dass das Karma seinen Job macht. Aber ich glaube, dass Menschen, die hauptberuflich hassen, keinen wirklichen Spaß am Leben haben. Hass setzt Verbissenheit voraus; Verbissenheit bedeutet letztlich Energie zu verschwenden, die man in Spaß und Freude fließen lassen könnte.

Dachte ich gerade so drüber nach.

11 Gedanken zu „IL GLAMINO

  1. blogger.de:etosha33

    Synchronizität! 🙂 Ganz ähnliches hab ich mir gestern auch überlegt.
    Erstaunlich, wie ein Studium, die Ansichten des Partners, oder die Welt da draußen einen staunenden jungen Menschen so verändern können – ihm die Wunder nehmen und ihm Rationalität und wissenschaftliche Fundamente als schalen Ersatz unterjubeln.

    Zufriedenheit und Glück ergibt sich aus der Aneinanderreihung schöner, bedeutungsvoller Momente. Dazu kann man die Vernunft gerne mal draußen lassen.

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  2. anekalina

    ich glaub ja nicht, dass die welt schlecht ist. eher haben die meisten menschen falsche erwartungen an gott/karma/dasdaoben. dabei kann das leben so schön sein, wenn man nicht so verbissen ist…
    und wenn man „die welt ist schlecht“ mit „alles ist gut“ kombiniert, was im buddhismus auch vorkommt, dann neutralisiert sich das erfreulicherweise ja gegenseitig.

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  3. lore.berlin

    mein ziel ? dem unverständlichen gewachsen zu sein. den tröster in sich selber haben, das ist alles. dem einen hilft erkennen, dem anderen glauben und mancher braucht beides und den meisten, hilft beides nicht viel. (Hermann Hesse, Freunde)

    kann man, glaube ich, auf den spaß und die verbissenheit der menschen, im leben übertragen.

    ich bezeichne mich ja gerne als realist, optimist, mit erfahrung eben..:)

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  4. larousse

    REPLY:
    „die welt ist schlecht“ mit „alles ist gut“ = Ying + Yang.
    Ich habe festgestellt, daß Selbstironie und Verbissenheit sich ausschließen. Ironie nimmt selbst der schlimmsten Situation die Schärfe. Auf diese Art lebt es sich leichter. Auch in HPs Buch sehr schön zu sehen.

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  5. glamourdick

    REPLY:
    ich kenn das lied. aber ich finde nicht, dass es passt. ich eröffne ja gerade wieder die abteilung der wunder. wunder geschehn. ich hab´s gesehn.
    😉

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  6. blogger.de:etosha33

    REPLY:
    Die vorausgegangene Erkenntnis, die Wunder aus den Augen verloren zu haben, gehört aber auch dazu. Deshalb fiel mir der Text ein.
    Werde wieder reinschneien in die Wunderabteilung. Ich lass mir nämlich auch keine mehr entgehen 🙂

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