STARIMBISS

Auf dem Rückweg vom Krankenhaus stellen wir fest, dass wir beide keine Lust haben, Abendbrot zu machen und beschließen, in P., dem zweiten Dorf links von L. am Imbiss halt zu machen. P. ist eigentlich kein richtiges Dorf. Läge P. im Osten, dann hieße es nicht P., sonder O. OT P. (O. ist nämlich das erste Dorf links von L.) P. ist also eher ein Fleischereibetrieb mit Imbiss und eigenem gelben Ortsschild, direkt an der B 824(Zahl von Glam geändert).
Der Parkplatz vorm Imbiss ist fast leer. Ein LKW und ein PKW und mit unserem dann schon zwei. Der Fleischereibetrieb hat eine neue Halle oder ein neues Schild an einer alten Halle. „Direktverkauf“. Im Süden hieße das „Outlet“. Kotlett-Outlet. Wurschtsaisonverkauf. Aber ist ja Niedersachsen, also Direktverkauf, direkt vom Schwein. Konzentrieren wir uns wieder aufs Abendbrot. Wir gehen in den dunkelrot gefliesten Imbiss. Der Typ hinterm Tresen kommt mir bekannt vor, eine Sekunde überlege ich. Das ist doch Peter F., der vor ca 20 Jahren das Café in der Nähe des Gymnasiums hatte, wo ich immer meinen Sportunterricht und manchmal „Werte und Normen“ und Physik verbracht hatte. Der war nett, der hatte nicht gegen mich, obwohl ich als Junghomo vom Rest der Stadt gehasst wurde. Im Gegenteil, der spendierte auch mal einen Kaffee und tat das, was sonst niemand tat – nahm, mich für voll. Und wenn ich bei dem im Café war, da konnte mich niemand anpöbeln, da fühlte ich mich sicher. Das Café lief ziemlich gut, er entthronte damit zwei andere Läden – das Oma-Café in Marktplatznähe und den alteingesessenen stinkigen Pub. Hübsch war er auch noch, der Peter, aber ganz entschieden hetero.
Jetzt ist das ja nun fast 20 Jahre her. Und vor zwanzig Jahren sah ich etwas anders aus – Nicole Richie von Statur, schlohweiß von der Hautfarbe und blauschwarz das Haupthaar. Und ich grüße die Leute in L. und Umgebung kaum, weil ich denke, die erkennen mich eh nicht. Ist vielleicht kein schöner Zug, ist aber so. Und es war mir auch unagenehm. Peter hatte dieses wahnsinnig gut laufende Café und jetzt steht er hier im Imbiss. Und ich – na ja, meine Karriere verlief auch schon mal in der anderen Richtung.
„Hey, Dich kenn ich doch. Du bist doch Glam! Und sag mal, hab ich Dich letztens im Fernsehen gesehen? Mit dem Bart hätt ich Dich jetzt fast nicht erkannt!“
Ich habe das zweifelhafte Glück in der im deutschen Fernsehen am wahrscheinlich Häufigsten wiederholten Folge von „Wahre Liebe“ zu sein. Neben der Pornoqueen steh ich tatenlos nervös rum und halte einen Preis für ihr Lebenswerk, den man ihr (schon zum zweiten Mal) verliehen hat. Ohne das Versprechen eines Preises wäre sie nämlich erst gar nicht zur Verlehung erschienen. Unglaublich, wie viele Menschen das gesehen haben und mich (und meine Eltern) darauf ansprechen.
„Hast Du nicht auch für diese Pornoqueen geschrieben?“
Erstaunlich auch, dass ich für die Pornoqueen nie amtlich als Autor tätig war und trotzdem alle, wirklich alle davon ausgehen, dass ich ihr Ghostwriter war. Und in dem Beitrag stand ich einfach nur im Bild, es ging gar nicht um ihr Schreiben.
Ich lächle ihn an. „Hast Du eigentlich noch das Café oben am Gymnasium?“
„Schon lange nicht mehr. Ich hatte danach noch eins in der Stadtmitte, jetzt aber nicht mehr.“
Die Stadtmitte wirkt wie einige Wohngegenden in meiner Schulstadt auch – wie ein Bombenkrater oder eine postnukleare Geisterstadt. Dichtgemachte Läden, ganze Straßenzüge die leerstehen.
„Aber der Imbiss, der läuft. Super Lage, hier an der Straße. Viele LKWs auf Durchfahrt und so.“
Und er wirkt nicht frustriert oder resigniert. Und er sieht immer noch ziemlich gut aus. Und zu Hause packen wir unseren Einkauf aus und ich sehe, er hat mir eine Currywurscht extra eingepackt.

11 Gedanken zu „STARIMBISS

  1. brittbee

    Ein bisschen wie die Begegnungmit meinem Jugendschwarm, der jetzt Taxi fährt. Und daß er auch oder besonders „outsider“ mochte, läßt in in hellem Licht leuchten

    Jener Imbiss , ich mag ihn auch- es gibt miesere Endstationen. Gammelfleisch verkauft er garantiert nicht

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  2. bittersweet choc

    ich glaube, ich weiss, wen du meinst. das war doch diese clique die zuerst die bude in der judengasse und dann das grössere ding unterhalb der schule (wenn man davor steht rechts richtung tankstelle) aufgemacht haben.

    da war doch auch dieser wunderschöne ich-komme-nicht-mehr-auf-seinen-namen dabei, für den ich damals gestorben wäre. schwarze haare, sehr schickes gesicht, ist dann nach berlin gezogen, weil irgendeine frau ein kind von ihm bekam. jetzt fällt mir der name wieder ein. ich mach mal hang-man-style: n–b— s–d–k. erinnerst du dich? dieses gesicht von dem imbissman habe ich auch irgendwie schemenhaft vor den augen. bin ja demnächst auch in S. OT H. landkreis W. zum siebzigsten geburtstag von meinem väterchen, dann gehe ich da mal pommes einkaufen (nicht essen – no carbs after eight).

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  3. joppi

    Gott,.. is das schwer sich hier anzumelden. Ich fands nur schön diese extra Curry wurst udn schreib mich jetzt um Kopf und Kraagen.. ach egal einfach löschen, ja? ABr können Currywurstverkäufer echt HOT aussehen, is das nicht ein Widerspruch?

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  4. glamourdick

    REPLY:
    yes. mr. s–d–k war ein echter hingucker. und der herr vom imbiss hatte mal was mit unserer ehemaligen freundin lady marilyn, die sich ja dann im falschen vorort mit dem falschen schnauzer fortgepflanzt hat.

    wann fährst du denn?

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  5. joppi

    Äh.. ich glaube das Problem bestand eher bei mir.. Verlor in den fruehen Morgenstunden die Herrschaft über meine Finger… grob- und feinmotorische Schwierigkeiten – Hausgemacht!! 🙂

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