URBANE ANONYMITÄT

Und während ich gerade erzähle, dass, wenn ich aus dem Haus gehe um, sagen wir mal Wasserenthärter für die Waschmaschine zu kaufen, und zu Fuß gehe und dann wieder zu Hause ankommen, dass ich auf dem Weg vermutlich mit 5 bis 10 Leute ins Gespräch gekommen sein werde, denn es ist Kiez und die Nachbarn brauchen auch dann und wann was von Schlecker oder dem Bäcker oder dem Buchladen usw., da sagt jemand „Hey Du“ und ich kucke und erkenne zurück und sage „Na Dich hab ich aber auch noch nie im Freien gesehen“, handelt es sich doch um den manchmal im Lieblingsweinladen arbeitenden Herrn, mit dem ich mich schon öfters über das Fach „Werte und Normen“ im niedersäschischen Schulsystem der 80er Jahre unterhalten habe.

Einige Stunden später ein Barmann, der mir ein „I think I know you, but I just can´t place you“ abringt. Ich kenne sogar seinen Penis im erigierten Zustand. Aber dann doch nur von den blaune Seiten.

Der nächste Barmann, der mit dem wohl schönsten Arsch der Stadt (er macht all diese Step-Kurse), hat sich durch den Satz „Ich kenne Dich doch. Ich hab Dich doch schon auf der Bühne gesehen“ in meine Sympathiewelt katapultiert. (Er war Gast bei meiner Lesung.) Und er macht immer so faire Getränkepreise, er entwickelt die selbst, glaube ich.

Und erst im letzten der angesteuerten Läden gelingt es mir, einen wirklich Fremden zu treffen und mich bei ihm erinnerungstechnisch zu verankern durch den vermutlich besten Blowjob*, den er in diesem Monat gehabt haben wird. Mit den Lippen, der Zunge und dem gesamten Mundraum kann man nämlich viel spannendere Sachen machen als Podcasts, vor allem, wenn man sich eh gerade die Stimme weggesungen hat.

*Ich stelle mir tatsächlich als Grabinschrift sowas vor wie „Glam blies erstklassig“ odet „deluxe sucker“. Oder vielleicht auch, schlicht, „Glam sucks“ und darunter die Handynummer. Geburtsdaten sind eh von gestern.

19 Gedanken zu „URBANE ANONYMITÄT

  1. glamourdick

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    du weißt ja, dass ich im wahren leben ganz anders bin als in dieser virtuellen selbstdarstellung. zurückhaltend, leise, enigmatisch, würdevoll und überhaupt mehr so sphinxenhaft. bis man mir etwas in die hand drückt, was phallusförmig ist, ein mikrophon beispielsweise.

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  2. glamourdick

    REPLY:
    insbesondere in zeiten wie diesen, wo sich menschen für umsonst veräußern und andere menschen nicht mit details verschonen sondern immer noch mehr geben, sich quasi zerstäuben mit intimitäten, ist das schweigen ein platinarmband. wenn nicht gar eine tiara.
    😉

    vielleicht sogar, eine wagemutige prognose, ist schweigen das neue bloggen. vielleicht.

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  3. raketenprinz

    also „schönster arsch der stadt“ und „faire getränkepreise“ sind doch zwei merkmale, die angesichts der anstehenden rückkehr des prinzen genauerer koordinaten bedürfen…

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