OVER AT THE GLAMOURDICK PLACE oder ODE AN FRAU T.

Es gibt ja Schlechtwettertage, auf die man sich freut, weil man lange nicht mehr Fernsehen im Bett mit dem besten Freund gemacht hat. Gestern zum Beispiel. Der einzige Grund, das Bett zu verlassen war ein Snickers-Jieper. Und so schaut man sich durch Film um Film, Shortbus, Breakfast on Pluto, irgendein bizarres verfilmtes Theaterstück über einen Mann, der… ich spar mir das, der Film war blöd und dann Red Eye, weil man Cillian Murphy nochmal ohne Schminke sehen möchte und dann, als man eigentlich schon ganz filmsatt ist, stolpert die Fernbedienung über den Shortbus der 70er. Die Rocky Horror Picture Show, die doch tatsächlich die gleiche Message hat wie der aktuelle Lieblingsfilm und Erinnerungen werden wach, an eine Zeit, als der Dick doch tatsächlich singend (was zumindest eine kleine Gruppe von Menschen jetzt sehr erstaunen wird) und tanzend und bucklig auf einer Bühne stand. And it was a pleasure being Riff Raff, obwohl sie mich eigentlich für Frank wollten. Wo der doch aber nachher gar nicht mehr die Macht hat. So ne Rolle braucht man mir erst gar nicht anbieten. Mit 18 in der Schulaula zu stehen, in Stockings und mit einer Laserpistole (gefertigt aus einem Fön), und dann auch noch Applaus zu bekommen, das hatte was. Und meine Werte und Normen-Lehrerin, Frau T., verfasste dann eine glühende Kritik für die Lokalzeitung, hob insbesondere meine Leistung hervor (sehr zum Ärger der kleinen Regie-Schlampe, deren Anweisungen ich zugunsten eines Höheren Plans zu ignorieren pflegte) und als ich meine letzte Stunde bei Frau T. hatte, da schenkte sie mir eine kleine Öl-Lampe, sehr geschmackvoll, in Form eines Quaders und einer Kugel, da ich im Verlauf meiner Werte-und-Normen-Karriere immer den Punkt auf´s I gesetzt und ein Licht in ihren Unterricht getragen habe. In jeder Stunde. In jedem anderen Fach und von jeder anderen Lehrerin wäre das peinlich gewesen, aber Frau T. und ich waren uns oft einig. Sie war einmal als Waldfee zum Fasching gegangen. Glamour gibt es auch an den miesesten Gymnasien Niedersachsens. Frau T. hat mich geprägt. Aber ich sie auch. Rar, so ein tiptoppes Schüler-Lehrer-Gespann.

18 Gedanken zu „OVER AT THE GLAMOURDICK PLACE oder ODE AN FRAU T.

  1. Jekylla

    zur Gruppe der Erstaunten. Ich kann Sie mir tatsaechlich sogar recht grossartig bei der Intonation von Toucha touch me vorstellen (was eine andere kleine Gruppe von Menschen ueberhaupt nicht erstaunen wird) 🙂

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  2. glamourdick

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    ich war auch schon mal hirte. meine vorliebe für fell- und pelzbekleidung stammt aus dieser zeit.

    mehrere jahre lang musste ich bei den weihnachtsfeiern des landfrauenverbandes ein superdoofes gedicht zum vortrag bringen. diese tätigkeit könnte in engem zusammenhang mit meiner homosexualität stehen. ich tingelte mit dieser nummer dann auch durch altenheime.

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  3. luckystrike

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    immerhin haben sie daraus keinerlei marika-röck-vorlieben davongetragen!

    mein requisit war ein zu großer hut. mit dem ich die grundschule in atem hielt.

    um ehrlich zu sein, ist mir das nur noch einmal gelungen. da war mein requisit mein nackter po. und nein, dieses mal war es nicht die grundschule, die ich in atem hielt.

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  4. pheerce

    werte und normen gabs bei uns nicht. nur HSK heimat und sachkunde. aber schlussendlich war ich auch in bayern. jibts ein foto von der wertenormöllampe?

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  5. larousse

    singend ja – aber bucklig? No way! (o;
    Eine Laserpistole aus einem Fön zu basteln finde ich höchst kreativ, wenn auch beim alleinigen Gedanken an das Tragen eines Föns der Seventies mein Arm zu schmerzen beginnt…

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  6. glamourdick

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    dass überrascht mich nicht, dass es in bayern keine werte und normen gab, und wenn, dann die falschen. ich muss zu meiner schande gestehen, dass ich momentan den verbleib der schnieken kleinen ol-lampe nicht klären kann. irgendwo wird sie sein. spätestens beim nächsten umzug wird sie entdeckt und bekommt einen würdigen platz auf dem kaminsims.

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  7. glamourdick

    REPLY:
    sie hatte großzügige lockenwicklerlocken, immer eine blonde haarsträhne vorne im brünetten haar (think holly golightly), knalligen lippenstift (jungle red) und pflegte erst nach 16 uhr zu rauchen. a walking proof of individual style.

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  8. blogger.de:kittykoma

    im westen war alles besser! ich hab mit 16 agitpropverse zu rhytmisch bewegter geballter faust skandiert.
    aber diese deutschlehrerInnen mit den weitergehenden ambitionen, die einem viel auf den weg geben, den sie selber nicht gegangen sind, die sind wichtig, die hatte ich auch. den männlichen part davon besuche ich einmal im jahr.

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  9. glamourdick

    REPLY:
    ich habe gerade eine ausgeprägte sehnsucht nach frau t. wenn ich demnächst wieder im harz bin werde ich mal das telefonbuch zur hand nehmen. vor ein paar wochen war ich in der grausligen schule von damals, um meine nichte abzuholen. erstaunlich klein war es dort. und erstaunlich nah waren die erinnerungen an mein hässliches teenage.

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