SCHADE. OCH.

Hitchcock hat einmal versucht, den Begriff „Suspense“ zu erklären. Wenn Du also einen Film drehst, in dem eine Bombe explodiert, dann gibt es zwei wesentliche Möglichkeiten, das zu inszenieren. Du zeigst einen Raum, in dem Menschen sitzen und dann explodiert der Raum. Oder Du zeigst einen Raum, in dem Menschen sitzen, und dann zeigst Du eine Bombe, die in diesem Raum, von den Menschen unentdeckt, vor sich hintickt. Voila suspense.

Der Savage-Grace-Film ist dann leider doch so, dass man durch ein Mikroskop schaut, das falsch eingestellt ist (was der Projektor im Central definitiv war: unscharfes Bild, schlechte Kontraste). Das Buch hingegen ist ein Kaleidoskop, ein fies schillerndes. Das Buch beginnt mit dem Mord, der Film endet damit. Den Mord an den Anfang des Buches zu stellen ist ein mutiges Unterfangen, weil es die Spannung zu halten gilt – was den Autoren mehr als gelingt. Im Film will keine Spannung aufkommen, jedenfalls nicht, wenn man die Geschichte nicht kennt. Herr Strike und der Ereignishorizont jedenfalls langweilten sich. Herr Strike litt auch noch, zusätzlich, weil es in dem Film keine Minute gibt, in der nicht geraucht wird, was ja nicht so schön ist, wenn man im Kino nicht rauchen darf und immer zuschauen muss. Schöne Bilder, ja. Und auch die Auswahl der Szenen ist eigentlich stimmig, aber, und jetzt zitiere ich einen Satz, den ich in letzter Zeit zu oft gehört habe: die Klammer fehlt. Die Sympathielenkung ist unspektakulär, Alle Figuren sind einem von vorn herein unsymapthisch – mit Ausnahme Tonys, dessen Sturz in die Schizophrenie, abgehandelt in zweieinhalb Minuten, unschlüssig wirkt.

Dennoch. Ich kann nicht sagen, dass mir der Film nicht gefallen hätte. Die Ausstattung beispielsweise ist hervorragend. Hair and Make up, und das meine ich jetzt ganz unkokett – wunderbar. Selten so gute Perücken gesehen wie auf Julianne Moores Kopf. (Auch der Haarverlust ihres Filmgatten ist gelungen inszeniert.) Ich hasse nun mal schlechte Filmperücken und deshalb freue ich mich um so mehr, wenn es diesbezüglich einmal nichts auszusetzen gibt. Die Dialoge verlassen sich auf die Buchvorlage und das ist gut, denn die Vorlage gibt viel her. Julianne Moore ist eine feiner, eiserner Schmetterling. Ihre Körpersprache kann mit der von Jessica Lange mithalten. Was sie mit ihrem Körper darstellt – die Bandbreite von Marilyn Monroe bis Anna Magnani. Stephen Dillane – leider war Jeremy Irons zu alt für die Rolle des Brooks. Dillane lässt einen kalt. Brooks Baekeland aber sollte einen mit seinem Snobismus wütend machen und nicht kalt lassen – ein paar Sätze mehr hätten für seine Rolle Wunder gewirkt. Aber Eddie Redmayne: der Mann ist so schön, dass er fast schon hässlich ist. Eine bessere Besetzung könnte es nicht geben. Leider gibt das Drehbuch ihm nicht genug Raum, den emotionalen Verfall zu zeichnen. Ich will mehr Filme mit Eddie Redmayne.

Ich würde mir wünschen, dass in vielleicht zehn Jahren mal jemand den Stoff neu adaptiert, und zwar als Kaleidoskop, am Liebsten als Mini-Serie. Oder sagen wir in 5 Jahren, dann könnten Eddie und Julianne noch einmal dabei sein. Meine Empfehlung: Kaufen Sie das Buch und dann leihen Sie sich die DVD.

Ein Gedanke zu „SCHADE. OCH.

  1. luckystrike

    Die perfekte Filmkritik. Ich schätze, wenn man das Buch nicht gelesen hat, und nicht Herrn Glam als Infomant vorab hat, ist es ein ziemlich uninteressantes Society-Stück, wenn auch die Schauspieler und das setting großartig sind. Schade, verschenkt.

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