NOT A LEGEND. A MYTH

Die zwei Aktenschränke, die Bestandteil von Marilyns Erbe waren, das laut ihrem ausdrücklichen testamentarischen Wunsch durch Verwalter Lee Strasberg unter ihren Freunden aufgeteilt werden sollte, befinden sich jetzt dort, wo sie eigentlich nicht hingehören: im Besitz der Nachlassverwalterin und Witwe Strasberg, die Marilyns Habe 1999 hatte auktionieren lassen. Dass zumindest zwei Teile des Erbes abgezweigt worden waren und tatsächlich im Besitz von jemandem landeten, der Marilyn nahe stand, wäre eigentlich sehr in Marilyns Sinne gewesen. Andererseits ist die zeitweilige Besitzerin mittlerweile verstorben und die Schränke sind bereits zweimal weiter vererbt worden. Es ist unklar, aber naheliegend anzunehmen, dass bereits Gegenstände aus den Schränken veräußert worden sind. Deshalb stehen sie vielleicht doch ganz gut in dem Sicherheitstrakt einer Bank in Los Angeles, in dem sie jetzt eingelagert sind. Möglicherweise begreift die Witwe Strasberg, dass es sich um einen Fund handelt, den man nicht verhökert, sondern einem Museum spenden könnte. Möglicherweise wäre es jetzt, nach dem VF-Artikel und unter den Augen der Weltöffentlichkeit eine massive Pietätlosigkeit, Marilys Papiere zu Geld zu machen. Zum Zeitpunkt ihre Todes hatte Marilyn $ 4000,- minus. Heute zählt sie, dank Image-Verramschung schlauer Lizenzierungs-Geschäfte der von der Witwe Strasberg beauftragten CMG-Agentur zu den bestverdienenden toten Stars. Wenn sie heute von den Toten auferstünde, dann würde sie sich vermutlich erstmal ein paar schicke Pelzmäntel kaufen.

Die CMG hat aber noch ein ganz anderes Problem. Kurz nach Redaktionsschlus fürs Oktober-VF beschied nämlich nun auch ein New Yorker Gerichsthof, dass das Image einer „dead celebrity“ nicht ausschließlich von einer Agentur ausgewertet werden darf. In Los Angeles hatte ein Richter schon im Oktober 2007 so beschieden, nachdem die Erben mehrerer Monroe-Fotografen geklagt hatten. Sam Shaw, der das legendäre Bild Marilyns über dem Ubahn-Schacht gemacht hatte, bekam offenbar keinerlei Royalties wenn seine Arbeit auf Kaffeetassen, T-Shirts und Handtaschen verwurstet wurde. Im Gegenteil wollte die CMG es den Erben der Fotografen verbieten lassen, die Lizenzen für die Bilder zu verkaufen. Natürlich ist es im Sinne des Wortes fragwürdig, ob die Erben der Fotos in ihren Lizenzdeals mehr Geschmack beweisen werden als die CMG, die u.a. das Marilyn-Telefon ermöglichte. (Wenn es klingelt weht der Rock einer Marilyn-Puppe hoch und sie singt „I wanna beloved by you“.) Aber es ist beruhigend und eine gewisse Genugtuung, dass eine Dame, die Marilyn nicht einmal gekannt hat, nun nicht mehr in einem warmen Geldregen sitzt, die Beine hochlegt und ein Glas Champagner schlürft. Vielleicht kommt sogar der Zeitpunkt, wo sie einsieht, dass sie als Zufalls-Erbin eines der berühmtesten Menschen aller Zeiten eine Verpflichtung hat, das Andenken aufrecht zu erhalten und zu pflegen, nachdem es ihr nicht einmal gelungen ist, den Wünschen der Verstorbenen nachzugehen. Sie könnte ihre Funktion als Monroe-Erbin (eine Rolle, die ihr niemals zugedacht worden war und die sie ganz klar missbraucht hat) auch nützen, um geschäftsmacherische Gerüchten zu enthebeln, wenn mal wieder ein vermeintlicher Pornofim „entdeckt“ wird, der für (wieder vermeintliche) 1,5 Mio Dollar verkauft, aber aus Pietät nicht gezeigt wird. Hoax, anyone? Der Anfang wäre aber schon mal mit einem Wischtuch und einem Eimer Putzwasser gemacht. Ich würde ihr sogar dabei helfen, Marilyns Grabplatte im Westwood Memorial Park zu säubern.

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