GLAMSOMNIA

Da wachst du auf, es ist 3.00 Uhr morgens, und du bist sehr sehr wach. Weil du versehentlich um 20.00 bereits eine Flasche Wein getrunken hattest und vorm Fernseher eingeschlafen bist. War das wirklich Julia Roberts da in dem Film? Was hatte sie dort verloren? Ebenso verloren wie die Rolle, die sie spielte, in der Handlung. Hätte sie mal den Sohn genommen und wäre abgehauen, dann hätte der Alte sie nicht totfahren können und der Sohn hätte nie ein Buch geschrieben, geschweige denn das Manuskript verbrennen müssen denkst du während du deine Cola light Lemon trinkst und dann gleich noch eine. So ist es mit richtigen Entscheidungen, man trifft sie zu selten. Was dazu führt, dass sich niemand traut, einen zu fragen „wie geht´s Dir?“, aus Angst vor einer ehrlichen Antwort. Man ruft ja selbst schon niemanden mehr an, weil man nichts Gutes mehr zu sagen hat, sondern alles immer noch noch schlimmer wird.
Der Versuch, wieder einzuschlafen scheitert, trotzdem will man nicht aufgeben und lässt das Licht aus. Wenn man die Augen schließt, sieht man dahinter Strukturen. Wie Haut. Menschenhaut, schuppige Menschenhaut – schieb die Gedanken ins Positive, Dickhead, sonst kommt wieder dieser Traum, wo du dich in dieses krebsartige Alien verwandelst und dir aus dem Rückgrat so meterhohe Stacheln sprießen. Denk an — Elefantenhaut.

Anstatt dass langsam innere Ruhe einkehrt, rasen die Gedanken auf mich zu und ich spiele mit ihnen Baseball, lande aber keinen einzigen Treffer. Und dann resigniere ich und mach das Licht an. Ein Film liegt noch vorm Player und so schau ich mir mitten in der Nacht „Tropic Thunder“ an und lache ein paarmal wirklich laut und nach dem Film bin ich auch nicht müder. „Du liegst hier schaflos in Berlin, Dickhead. Steh doch auf und geh raus! Da hat doch diese Bar aufgemacht , in der Nachbarschaft. Das wär doch jetzt DIE Gelegenheit!“ Aber dann kommen wieder die Gedanken und die Gewissheit, dass ich so nicht mehr leben will. Nicht dass ich sterben möchte, ich habe eine Scheißangst vorm Sterben, aber so will ich einfach nicht mehr weiter. Und dann, kurz vorm Einschlafen, denke ich an den verschwundenen Portugiesen, der in der Nachbarschaft gewohnt hat, dessen Gesicht auf Plakaten in der ganzen Stadt zu sehen ist, weil er eines Nachts nicht nach Hause kam und keiner weiß, was mit ihm geschehen ist. Verschwinden hat eine gewissen Eleganz, einen mythischen Nimbus. Aber man will doch nicht gleich weg sein, es reicht doch völlig, mal eine Weile woanders zu sein.

8 Gedanken zu „GLAMSOMNIA

  1. walküre

    REPLY:
    Ja gerne, ich maile Ihnen im Laufe der kommenden Tage dann meine Kontonummer ! 🙂

    (Ach, der schnöde Mammon … )

    PS: Das Lied zum Tage

    Tiny Tim – Tiptoe through the Tulips

    Antworten
  2. Roulette

    Ebenfalls ein Problem ist, das Reisen einfach zu süßlich ist, gerade längere Reisen und man sich schon vorher auf einen Reisekater einstellen sollte. Komplett darauf verzichten wäre dann auch eine eher funktionale Idee. Die andere Möglichkeit wäre, es erst einmal mit Kurztrips auszubalancieren. Und die bringen schon ne Menge. Aber Berlinalezeiten sind immer örgs. 🙂

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert