PUCKED und VERZAUBERT

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Der Kinosaal war gut gefüllt, die Anmoderation so, als müsse man sich als Leiter eines schwulen Festivals für einen Film entschuldigen, in dem die Homosexuellen weder umgebracht werden, noch Partydrogen nehmen und darüber hinaus auch noch singen und auf eine jugendliche Art und Weise glamourös aussehen. „Were the World Mine“ wickelte dann aber, wie erwartet, alle um den Finger, was man spätestens daran erkennt, wenn selbst der platteste in einer Reihe von wirklich komischen Momenten noch mit herzhaftem Lachen begrüßt wird. Die Tatsache, dass man dem Film anmerkt, dass er ein Erstlingswerk ist, spricht nicht gegen ihn sondern arbeitet für ihn: sein Charme ist so jugendlich wie seine Hauptfiguren. Und nicht nur gerettet sondern geradezu emporgetragen wird er durch einen Einsatz von Musik, wie ich ihn in keinem Musical zuvor je erlebt habe. Zwei große Musicalnummern eingebunden in einen Soundtrack, der wie ein Märchenwald hinter jeder Biegung eine neue Überraschung bereit hält. Der Film ist voller kleiner zauberhafter Details – die Engelsflügel, die Timothys Mutter für seine Schulaufführung aus ihrem Hochzeitskleid bastelt sind nur ein Beispiel.

Und dann ist da Tanner Cohen, der Hauptdarsteller, der in seinem Schulblazer, kombiniert mit Zigarettenhose und Chucks und seinem irgendwie wirklich waldwesenhaftem Gesicht ganz wundersam anrührt. Er muss nicht viel machen, denkt man, und dann fängt der Junge an zu singen und es brennt einem ein feuriges Loch ins Herz. Ich hasse den Ausdruck „Großes Kino“, aber genau das beschert er uns. Seine Stimme, sein Spiel, sein Look sind der eine Pol, dessen Counterpart die wunderbare Wendy Robie als schrullige Lehrerin und großartige Verschwörerin liefert. Als schwuler Gegenentwurf zu Zac Ephron ist dem armen Tanner aber vermutlich keine große Karriere zu prognostizieren, denn als Schwuler einen Schwulen zu spielen, und das auch noch mt Gesang, das dürfte Casting-Chefs im ganzen Universum davon abhalten, dem Jungen eine Rolle zu geben. Schade. Ich wünschte es wäre anders, und vielleicht ist irgendwann die Zeit gekommen, wo es möglich ist. Rupert Everett hat gute Vorarbeit geleistet.

Das Publikum aß Chips und in Teighüllen verpackte Erdnüsse, so dass ich Lust bekam, ihnen die Chipstüte in den Rachen zu rammen und ihnen mit den Erdnüssen die Augäpfel einzudrücken, nein Frank, Dir natürlich nicht. Die lesbischen Studentinnen neben mir rochen nach Mottenkugeln. Es war also von den Umständen her ein hochgradig klischierter Kinoabend, ich hätte angenommen, dass sich ein Festivalpublikum etwas würdevoller verhält. Die Leinwand war sehr groß, so dass es wieder Stunden dauerte, bis der Film in meinem kleinen Kopf angekommen war. Deshalb ist es für mich besser, einen Film bei der ersten Kino-Betrachtung allein anzuschauen, da ich direkt im Anschluss schwer eine Meinung formulieren kann. Positiv zu verzeichnen desweiteren, dass es der zweite Film innerhalb eines Jahres war, der einen verdienten Schlussapplaus bekam. Die Vorfreude auf die DVD ist nun groß.

Dank „Were the World Mine“ trug das Verzaubert-Festival seinen Namen mit Recht. Keine Scham also, nur weil endlich der Camp explodiert und dahin wiederkehrt, wo er herkommt: zu den Schwulen und ihrer Sehnsucht nach etwas Großem, Buntem, Wunderbarem. Mit Pailletten und allem Zick und Zack. Glam ist jetzt jedenfalls verzaubert.

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Ach so, ja, Serviceblog. Heute nochmal im Cinestar in der Kulturbrauerei um 18.00 Uhr.

2 Gedanken zu „PUCKED und VERZAUBERT

  1. frankburkhard

    also hätte ich gewußt, daß meine augäpfel dermaßen gefährdet waren, hätte ich mich aber woandershin gesetzt.
    davon abgesehen kann ich nur beipflichten. ein ganz entzückender kleiner Film. hinreißender gesang. danke fürs mitnehmen! und für unversehrtheit meiner augäpfel. trotz erdnüssen.

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