THERE IS THUNDER IN OUR HEARTS

Und während wir unter der Nachmittagssonne auf dem dunkelgrünen Wasser schippern, etwas angeschwipst, und in unschuldigster Unschuld die Elemente ehren, findet ein paar Kilometer Luftlinie entfernt, in Abwesenheit des Ehemannes, ein Ehedrama statt, das eigentlich den Farce-Charakter eines Boulevard-Sücks besitzt. Die Ehefrau, die den Absprung zum See nicht rechtzeitig gefunden hat und nun wütend zu Hause sitzt ruft die Schwiegermutter an und lässt sich über deren bösen Sohn aus, so gaubwürdig, dass diese ihn anruft und droht, sofort nach Berlin zu kommen, um Schwiegertochter und Kind einzusammeln und mit ins Heimatdorf zu holen.
Die Stunden auf dem Wasser vergehen und langsam fällt der Ärger von ihm ab. Alles Gespür von Zeit erlischt und erst als die Sonne schon fast hinter den Bäumen versinkt, verlassen wir den See und fahren zurück in die Stadt. Als ich in der Wohnung angekommen bin klingelt das Telefon – es ist die Gattin, die sich nach dem Verbleib des Mannes erkundigt. Aufgrund einer Sprachbarriere reicht sie mich weiter.
„Hallo Glam? Hier spricht Birgit.“
„Sie sind sicher die Mutter.“
„Meine Schwiegertochter macht sich Sorgen, wo ihr Mann bleibt.“
„Ihr Sohn dürfte in einer halben Stunde zu Hause sein, er hat die S-Bahn genommen.“

Nachdem ich aufgelegt habe fällt mir ein, dass ich eigentlich auch hätte erklären können – er hat seine Frau nicht böse im Stich gelassen, er hatte nur die stundenlange Warterei satt. Und ob es nicht vielleicht etwas übertrieben ist, aufgrund so einer Sachlage kurzerhand einen Flug ins ferne Berlin zu buchen, da die beiden immerhin verheiratet und eine eigene kleine Familie sind, und man als einstiger Erziehungsberechtigter einsehen muss, dass die Zeit der Einmischung irgendwann vorbei ist, und ob man nicht vielleicht einfach noch zusammen nett was Essen geht, irgendwo draußen, wo´s schön ist, wo sie jetzt doch eh schon mal in der Stadt ist, und dass es auch in der großen Stadt Menschen gibt, die sich um ihren Sohn kümmern, weil sie ihn gern haben.
Aber das fällt mir erst nach dem Auflegen ein.

Und das ist es, was den See und die Zeit darauf so fantastisch macht – dass man mal ein paar Stunden kein Gewittergrollen hört, es einem auch unvorstellbar erscheint, dass es irgendwann mal wieder gewittern könnte. Die Menschen sollten mehr Zeit an und auf Seen verbringen. Sie sollten dort ihr Leben spüren, ihre inneren Stimmen durch leise Wellenbewegungen zum Schlummern bringen und ihre Mitmenschen ihre Leben leben lassen. Aber das versteht man nur, wenn man den See erlebt hat, und dazu darf man halt die S-Bahn nicht verpassen.

2 Gedanken zu „THERE IS THUNDER IN OUR HEARTS

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