STATION TO STATION

Nach einem Theater- oder Konzertabend U-Bahn zu fahren ist manchmal eine schlechte Entscheidung, weil der Film, der dort läuft, den zuvor erlebten überschatten kann, zumindest, wenn man Berlin nicht gewohnt ist.
Am Gleisdreieck jedenfalls steigen drei junger Gitarreros zu. Vielleicht 18, gutbürgerlich, sorgsam lässig frisiert, kurze Jäckchen, die Hosen fast unterm Arsch hängend, sie spielen „Bitte nur ein Wort“ und machen das sehr gut. Möckernbrücke steigt ein halbes Dutzend weiterer Teenies zu, alle mit dem unvermeidlichen Accessoire Bierflasche in der Hand, und an ihrem Verhalten wird klar – es war nicht die erste oder zweite und es wird auch nicht die letzte in dieser Nacht bleiben. Es sind Kumpels und Groupiemädchen der Gitarreros und es wird sich lautstark begrüßt, in die Arme gefallen, wobei der eine oder andere bei Anfahrt der Ubahn schon mal ins Taumeln gerät und auf meinen Schoß zu fallen droht. Ich stütze ab und schubse empor. Ich schau zu meiner Mutter, ängstlicher Blick, sage „Das ist jetzt nicht Krawall, die sind in Feierstimmung, in dem Alter war ich genau so.“ Und dann ist sie beruhigt und die Jungs spielen ein Lied von MGMT, das auf Gitarre viel besser klingt. Am Kotti sind sie raus und die beiden schlecht gelaunten Lesben gegenüber, die wie Zeitreisende aus dem „Lipstick“ aussehen, schauen sich an, runzeln die Stirn und schütteln verständnislos den Kopf. Berlin muss man schon lieben, um seine Klischees zu ertragen.

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