TANTE GISELA

Vermutlich, weil meine Mutter sich nicht vorwerfen lassen wollte, die Schwiegereltern (zu denen sie kein gutes Verhältnis hatte) als Babysitter zu missbrauchen, bekamen meine Schwester und ich eine Babysitterin. Ulrike, die damals noch zur Schule ging. An Ulrike als Babysitterin kann ich mich nicht erinnern, denn irgendwann übernahm den Job ihre Mutter, die Tante Gisela. Babysitterin ist eigentlich nicht die richtige Bezeichnung, aber damals gab es wohl den Begriff der Tagesmutter noch nicht. Wir wurden ein paar Mal die Woche bei (Nenn-)Tante Gisela abgeliefert, dort entertaint, spielten im Garten, fütterten Gänse, bekamen hausgemachte Pommes Frites.

Wie sehr wir Familienmitglieder wurden begriff ich erst vor 10 Jahren, als ein Bekannter meiner Eltern bei Tante Gisela zu Besuch war, und dort an der Wand hingen immer noch Kinderfotos von meiner Schwester und mir. Der Kontakt zu ihr war längst abgerissen, wie fast alle Kontakte, die mit dem Dorf zu tun hatten. Dumm, denn viele der schönsten Erinnerungen an die Kindheit verbinde ich mit ihr.

Am Freitag ist die Beerdigung und ich schäme mich zu sehr, hinzugehen. In den letzten Jahren war sie erblindet, erfahre ich jetzt, aber, wie ich sie einschätze hingen die Fotos von Glam mit sechs und der Schwester mit neun noch immer an der Wand im Wohnzimmer.

Liebe Tante Gisela. Es tut mir Leid. Mach´s gut! Ich hab Dich lieb.

3 Gedanken zu „TANTE GISELA

  1. Modeste

    Da fällt mir die eigene Tante Gisela ein, die Tante Margot hieß, und bei der ich mich wieder einmal melden sollte, solange es noch geht. Vielen Dank für die Erinnerung.

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