Umbewerten. Klären statt sinnieren. Gegen die Panikattacke an sich kann ich erstmal nichts unternehmen, aber gegen die Depression, die sie mit sich schleppt. Ich kann mir mein Leben nicht schöner reden, als es ist, aber ich muss wieder die guten Dinge nach vorne bringen, anstatt mich auf die kaputten zu konzentrieren. Auch wenn ich für rasante Gefühlssprünge berüchtigt bin – aus manchen Phasen rockt man sich nur langsam raus. Aber es wird jeden Tag besser. Es stellen sich viele neue Aufgaben, dank einiger neuer Begegnungen. Dank Beischlafdieb darf ich mir die Verbrecherkartei anschauen. Dank eines Mitbewohners, der durchaus mein Sohn sein könnte, habe ich eine multiple Bewusstseinserfahrung – wie war ich in dem Alter? Wie und wo halte ich mit, in meinem Alter; wo kann ich getrost sagen – „Mach Du. Ich hab das hinter mir.“ Passend dazu, und ohne es zu wissen, schickt mir die amerikanische Nachbarin ein Peter-Pan-T-Shirt. Ich fühle mich längst nicht so alt, wie ich bin. Das würden manche für ein Selbsttäuschungsmanöver halten, ich bin ganz froh darüber. Ich will nicht ständig vernünftig und absichernd denken (selbst wenn ich wollte – ich könnte nicht). Dass das in einer Zeit der generellen Verunsicherung manchmal ein Drahtseilakt ist, mit Abstürzen, das gehört dazu. Mein Leben ist mir lieb. Ich hab ein paar Kilo abgenommen und erkenne mein Gesicht langsam wieder. Ich hab seit ein paar Tagen auch keine weichen Knie mehr, wenn ich die Treppen runtergehe und das Haus verlasse. Das wird sicherlich wieder einmal passieren, aber bis es soweit ist, höre ich auf meine Mutter, die mich am Ende jedes Telefonats auffordert, es mir gut gehen zu lassen. „Es gibt nichts, was wir tun müssen, außer – uns auszuruh´n“.
JEDE DER SCHERBEN SPIEGELT DAS LICHT
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