YOU CAN GET THE BOY OUT OF THE HOUSE

Im Hof, meine Nachbarin, die Blumenverkäuferin, ganz in Creme, gekrönt mit einer ebenfalls cremefarbenen Flohmarktpelzmütze. Sie steht an ihrem Rad, zu ihren Füßen eine große Tasche (weiß, nicht creme – ein unverzeihlicher Stilbruch.)
„Glam! Ich muss Dir was zeigen!“
Ich bekomme etwas Sorgen, denn sie wollte mir schon mal ihren Keller zeigen, was ich ablehnte, denn aus meinem Arbeitszimmer kann ich in ihre Wohnung schauen und denke immer – so leben Giftmörderinnen.
Sie bückt sich, öffnet die Plastiktsche und holt eine alte Perücke hervor, die sich als Haarteil entpuppt oder als Perücke für Menschen mit sehr sehr kleinen Köpfen.
„Schau mal.“
Das Haarteil hat Augen und – vermutlich – durch die langen Strähnen kann man das nicht ausmachen – Gliedmaßen. Es muss sich um so etwas wie einen Hamster handeln, dem sie gerade Kreuzberg im Winter vom Fahrrad aus (und durch eine dicke Plastikschicht hindurch) präsentieren wollte.
Sie schaut mich erwartungsvoll an, als solle ich dieser verkleideten Ratte jetzt den Bauch kraulen, aber ich denke die stirbt, wenn meine Aura sie streift und dann springen mich Pestläuse an, und ich weiß nicht, ob ich zu den 10% Europäern zähle, die aufgrund eines Gen-Defekts Pest-resistent sind, und möchte es nicht drauf ankommen lassen.

An der Kreuzung halte ich, und die Jungmutter mit der Tochter, die mal als Hummel verkleidet war, überquert mit Fahrrad die Straße und hebt grüßend die Hand. Die Hummeltochter ist in zivil und schickt ein süßes und doch skeptisches Großstadtkind-Grinsen.

Am Nachmittag schickt die amerikanische Nachbarin, die ja zugleich eine der engsten Freundinnen ist, eine SMS mit ihren Wochenend-Terminen und bedankt sich, dass ich ihre portable personalisierte Kaffeetasse mit „Bridesmaid“-Gravur für sie gereinigt habe.

Während ich eine Kiste Wein durch die Dunkelheit Richtung Wohnung schleppe, rollt langsam ein VW-Transporter an mir vorbei, die Scheibe wird heruntergekurbelt und mein-Nachbar-mit-dem-ich-vor-10-Jahren-mal-eine-Affäre-hatte winkt mir zu.
„Hey Glammy – schönen Abend!“

Ich weiß nicht, ob ich damals die Wohnung gefunden habe, oder doch eher die Wohnung mich. But I like it here.

2 Gedanken zu „YOU CAN GET THE BOY OUT OF THE HOUSE

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