DIALOGE MIT MONIKA, Teil 2398765342719

Noch ne halbe Stunde Zeit totzuschlagen, was tun? Fährste nach Mitte, Dein Parfum kaufen, dort ist das günstig, vorausgesetzt Du parkst schwarz. Diamant gibt 20%, da wäre sogar Schwarzparken drin. Was sich in Keuzberg noch gut anlässt, ab der Dorotheenstraße scheint es eine mistige Idee. Alles ist gerade da abgesperrt, wo ich durch muss. Was nicht nur mich unruhig, sondern auch die andere cholerischen Autofahrer zur Blütentreibung führt. Und Schwarzparken ist ja schön, wenn es Parkplätze gibt, aber wenn nicht, dann ist man auch irgendwie schlecht gefickt. Als ich endlich einen habe, wird die Zeit schon etwas knapp, ich muss im Laufschritt durch die blöde Touripassage, die zur Friedrichstraße führt, Fußgängerampeln rot, Autos im Stau – es wird mir alles etwas eklig. Im Diamant ist dann auch die Lieblingsverkäuferin nicht anwesend und eine Dame stellt sich zwischen mich und den Tresen und verhindert meinen Bezahlvorgang. Die Karte ist schon bei dem netten jungen Mann, das Givenchy eingetütet, fehlt nur noch meine Unterschrift, aber da, wo ich unterschreiben könnte, steht jetzt eine Fremde, bis der nette junge Mann sie freundlich fortscheucht. Binnen 10 Sekunden rollt die Panikattacke heran und als ich zum Unterschreiben komme, zittern die Hände so heftig, dass die Signatur ein Kindergekrakel ist, ich bete, dass er sie nicht überprüft, zwinge mir ein freundlicher-Kunde-Lächeln auf, es klappt, er vergleicht die Unterschriften (meine und meine Panikversion) nicht, ich werfe Parfum, Visakarte und Portemonnaie in die Tasche und stapfe zurück auf die Friedrichstraße, mit immer weicher werdenden Knien, die Attacke ist immer noch im Aufbau. Ich denke „Zack – mach schon, hau ab Monika.“ Im Auto angekommen wird es etwas besser, aber dann setzt der Frust ein. Ich atme tief. Unter viel Hupen und Schreien und roten Ampeln fahre ich zur Arbeit und hasse den Tag, hasse die Scheiß-Berliner, das Leben, die Sozialphobie, mich selbst.

Im Büro bin ich noch mitgenommen, aber zumindest rieche ich, wie gewohnt, gut, nach Givenchy pour Homme. Ich überlege, die Kollegin einzuweihen und sie zu bitten, mir heute jeglichen Publikumskontakt abzunehmen, ich bin zu shaky, es kann jederzeit wieder geschehen, und ich will es verdammtnochmal nicht. Aber die Kollegin ist in einer Besprechung und ich habe kaum die Arbeit begonnen, da kommt es zum ersten Publikumskontakt. Ich beobachte mich, ständig gewappnet und doch nicht gewappnet genung – wenn die Monika kommt bin ich machtlos -, sehr angespannt, aber es geht. Ich mache meinen Job, aber I´m on the fucking edge. Ich beschließe erneut, die Kollegin zu bitten, mich zu vertreten. Aber sie ist nicht am Platz, als es zum nächsten Publikumskontakt kommt. Es sind 6 lange Stunden und so viele Besucher wie nie. Beim dritten Kunden habe ich wieder eine gewisse Sicherheit – das Gefühl, die Situation im Griff zu haben, und Monika weggeboxt, die liegt irgendwo auf dem Flur oder unterm Küchentisch. Kurz vor Arbeitsschluss dann nach der Pflicht die Kür. Eine Kundin, der ich Berlin erklären muss. Sehr offen, freundlich, interessiert und ich habe noch an der einen oder anderen Ecke oder Kante das Gefühl – hier könnte es kippen, aber es kippt nicht, alles steady. Ich bin ein Held, weil ich durch den Tag gekommen bin. Und frage mich, was ich mich schon auf dem Weg zur Arbeit fragte – Wie wäre das wohl, durch den Tag zu gehen, ohne diese Angst, die Dich hinterrücks anspringt, die so schwer zu vermitteln ist, wenn man sie nicht selbst erlebt hat? Einfach ein aasiger, fluchender Arschlochberliner wie alle anderen zu sein, jemand der reinen Herzens Schläge androhen kann, wenn jemand schlecht Auto fährt oder auf der falschen Seite der Rolltreppe steht oder auf dem Gehweg abrupt stehenbleibt. Unbekümmert wütend, ohne eine Monika im Keller, höchstens eine Uschi in der Datscha und einen Ralf im Bett. Einfacher wär´s. Leichter. Durchaus erstrebenswert.

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