THE CHUBBY WHITE DUKE

Das Bauchgefühl hatte gesagt „Bleib zu Hause, geh´ nicht zum Konzert!“, aber wie das so ist, man hat die 30 Euro für´s Ticket ausgegeben und Fernsehabend kann man jeden Abend machen, Peter Murphy kommt aber nur alle paar Jahre, also hin. In der Raucherschleuse des Postbahnhofs sitze ich frierend mit Twig, dem Wonderkid und wir erzählen uns, was alles so passiert ist in der längeren Zeit, in der wir uns nicht gesehen haben. Nebenan spielt eine Vor-Band, hauptsächlich laut, praktischerweise nennen sie sich auch „Loud Boys“. Dann ist Bühnenumbau, die zweite Lästigkeit neben der Vorgruppe, wenn man mit einer Vorgruppe arbeitet. Schließlich kommen ohne großes Tamtam die Musiker auf die Bühne, zuletzt auch mein Teenie-Idol. Er fängt mit Bauhaus an, 1 zu 1, irgendwie kein schöner Opener im Berliner Herbst, ich hätte mir etwas Frischeres gewünscht. So mit einem Meter Abstand zur Bühne sieht man auch mehr als man müsste, aber ich will nicht meckern, ich hab selbst ein paar Kilo zuviel, nur dass ich dann keine hautengen Kapuzenshirts anziehe, in denen sich alles abzeichnet, Bäuchlein, lovehandles und Moobs. Auf Bauhaus folgen ein paar der schwierigeren Songs der neuen Platte, endlich irgendwann „I spit Roses“ – wirklich wirklich schön. Nach ein paar Liedern wendete er sich auch dem Publikum zu und erklärt, was sein heutiges Ziel ist – „I want to be hit on“, und schmeißt sich auch gleich an ein paar Damen in der ersten Reihe. Es gibt ein bisschen Hand an Hand legen, und er beweist Selbstironie, wenn er erklärt wie sich Sex mit ihm anfühlt „legendary and iconic“. Immer wieder sucht er singend Blickkontakt und ich gestehe, und es ist mir peinlich dies zu gestehen – ich find´s peinlich. Das eine oder andere schöne Lied, dann wird die Stimmung immer wieder gebrochen mit schwer Verkraftbarem, im Notfall wird einfach wieder Bauhaus aus dem Hut gezaubert, den er – zumindest solang ich noch da bin – nicht abnimmt. Als er sich eine Blondine Anfang 20 ausgeschaut hat, für die er das Kapuzenshirt öffnet, damit sie seine Speckröllchen begutachten und berühren kann, dann noch eine Handvoll Männertitten grabschen darf, ist das Maß an Peinlichkeit gesprengt, es kann wohl nicht schlimmer werden. Doch dann singt er, während die Groupie-Blondine ihre Hände über ihn wandern lässt, und man kann nicht mehr von Sprengung sprechen, wir nähern uns der Vaporisierung.
Aus Selbstschutz verabschiede ich mich und trete den Rückzug an, aber es ist vielleicht schon ein bisschen zu spät. Ein großes Stück Achtung liegt jetzt auf dem bierig stinkenden Fußboden des Postbahnhofs. An diesem Abend wurde sicher noch das eine oder andere Mal darauf herumgestapft, aber immerhin musste ich es nicht mitansehen.

(Interessanterweise fand ich es keine 60 Minuten später das Gegenteil von degoutant, als ich meiner Lieblingsschauspielerin (Anfang 60), bei Zärtlichkeiten mit einem Mittzwanziger zuschaute. Hm. Ich schätze, man kann das mit Stil tun, oder eben auch plump. Bei Jessica hatte es Verwegenheit, Desire and Despair, bei Peter kam es einer Notdurft gleich.)

2 Gedanken zu „THE CHUBBY WHITE DUKE

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert