HAST DU´S AUF DEM SCHIRM, DANN HOL DIR DEIN STÜCK KUCHEN

Im Supermarkt dem Heuchler über den Weg gelaufen. Er stand vorm Marmeladenregal (Fruchtbrotaufstrichregal muss man jetzt wohl korrekt sagen) und wenn ich einen Einkaufswagen gehabt hätte, wäre ich nicht an ihm vorbei gekommen. Er ist jetzt so fett geworden, amerikanisch fett, dass er wahrscheinlich nicht mehr seinen Schwanz sehen kann, außer er stellt sich auf einen riesengroßen Spiegel. Aber der würde in tausend Scherben springen also war´s das für ihn mit dem eigenen-Schwanz-sehen-können. Der Heuchler war mal ein attraktiver Mann, aber je alkoholabhängiger seine Frau, die Böse L., wurde, desto christlicher wurde er, und desto größer sein Hunger. Unstillbar, wie man jetzt an ihm sieht, denn er muss wohl immer mehr essen, er weiß nicht mehr, wie es ist, satt zu sein. Es gibt in seinem Teil des Dorfes einen Supermarkt, der ist noch billiger als dieser hier, und der hat auch all diese Familienpackungen, rieeeesengroß mehr drin für weniger Geld, was sucht also der Sack in meinem Supermarkt?
Ganz christlich erkundigt er sich nach meinem Wohlbefinden und ich heuchle mein Teil, und dann lädt er mich zum Abendessen ein. (Ich rede seit ein paar Jahren nicht mehr mit der Bösen L., weil die mich aus Gründen der Etikette von einer Feier ausgeladen hatte, zu der der komplette Rest der Familie eingeladen gewesen war, selbst die Familienmitglieder, für die man sich nun wirklich schämen muss.)
„Das wäre doch schön, wenn Du vorbeischaust, die L. holt nachher auch die M. und den D. vom Bahnhof ab! Wenn Du magst kann ich Dich auch abholen!“ (Es sind ungefähr sieben Minuten zu Fuß!)
„“Ach, Heuchler, lass mal. Ich muss mir heut abend die Zehennägel schneiden, sonst ruinieren sie mir noch die Socken, vorne. Und dann hab ich noch eine deiviertel Staffel „Veronica Mars“ vor mir. Ist wie der neue Melrose Place und Twin Peaks und ein bisschen OC. Eventuell wollte ich mir auch noch nen Fick klarmachen, aber das ist ja in dieser Region nicht ganz einfach, wenn die Kerle in den Harzer Blauen Seiten alle übergewichtig sind, oder so komische Vorlieben haben, oder schlechte Haare. Und, ehrlich gesagt fühle ich mich wieder wie mit 15, bei dem Gedanken im Haus meiner Eltern schwulen Sex zu haben. Aber das ist eine Grenze, die man auch mal einreißen kann – ich meine, warum soll ich der einzige sein, der in diesem Haus keinen Sex haben darf, wir sind doch mittlerweile alle erwachsen, außer ich in Bezug auf Deine Alte. Die ist wirklich sooo Scheiße, dass ich nie nie nie eine Essenseinladung zu ihr annehmen würde, zumal der billige Fusel, den sie von Deiner Rente kauft, gar nicht geht. Mit der setze ich mich nur an einen Tisch, wenn es gilt, das Familienidyll optisch zu wahren. Aber meine Eltern sind ja nicht da, also brauch ich ja meinen Teil nicht zu heucheln.“
„Na, dann wünsch ich Dir einen schönen Abend, und wenn Du es Dir anders überlegst, dann rufst Du einfach an!“
„Das mach ich, auch wenn das so unwahrscheinlich ist, wie dass ich morgen aufwache und plötzlich Britney Spears bin und als Britney auf einmal meine Karriere rumreiße. Aber Danke.“

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